Dessert mit einer großen Portion Liebe ist nun der dritte Teil aus der Reihe Herzschlagmomente - es ist eine Neuveröffentlichung von Liebestraum à la carte

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Dessert mit einer großen Portion Liebe

Leseprobe

1. Kapitel

Die Koffer standen im Flur bereit zum Abtransport, bezeichnend für einen neuen Lebensabschnitt, der unweigerlich eintreten würde. Spannend und aufregend, allemal. Thomas Neumann, seines Zeichen Weltenbummler und einer der besten Köche, war gerade dabei, seinen Entschluss, sich sesshaft zu machen, in die Tat umzusetzen. Zum hundertsten Male kontrollierte er nun schon, ob er alle seine Sachen gepackt hatte. Viel war es nicht. Er war immer mit leichtem Gepäck gereist, wusste er doch, dass die Zeit, weiterzuziehen, kommen würde. Nur seine geliebten Kochbücher und seine Rezepte-Sammlung, liebevoll zusammengetragen und akribisch geordnet, begleiteten ihn seit jeher. Sie wuchsen beständig. Nun sollte sich dieses Leben ändern. Endlich währte er sich am Ziel seiner Träume.

In seinem Elternhaus hatte er die letzten zwei Monate verbracht. Diese Zeit war notwendig gewesen, sich eine geeignete Unterkunft zu suchen, diese nach seinem Geschmack einzurichten – sehr männlich und geradlinig, eher schlicht. Für einen Single-Haushalt benötigte er nicht viele Quadratmeter Wohnfläche. Er würde dort sowieso nur zum Schlafen verweilen, Aber das Objekt, für das er sich entschieden hatte, zeigte in Größe und Ausstattung Luxus pur. Wenn schon, denn schon, hatte sich Thomas gedacht und freute sich auf sein neues Zuhause. Dagegen ersparte er sich, nach einer passenden Lokation für sein eigenes Restaurant Ausschau zu halten. Die wurde ihm angeboten, regelrecht aufgeschwatzt, wie er später voller Stolz behaupten würde. Die letzten Jahre arbeitete er in den weltbesten Lokalen, Hotels und Restaurants, in New York, Paris, Venedig, Amsterdam, Portugal. Aber auch in einigen Hotels in Österreich, in der Schweiz und Deutschland. Viele Eindrücke nahm er mit und behielt sie in seinen Erinnerungen. Er kochte die Nationalgerichte der verschiedenen Länder nach und sammelte die Rezepte. Schon als Kind hatte er liebend gerne seiner Mutter beim Zubereiten der Speisen geholfen. Kochen war seine Leidenschaft, immer schon gewesen. Er hatte sich diese Liebe zum Beruf gemacht. Einmal in seinem eigenen Lokal zu stehen und seine Kreationen umzusetzen, wünschte er sich seit Kindertagen. Und nun, mit neunundzwanzig Jahren sollte eine neue Karriere beginnen. In genau vier Tagen würde er sein eigenes Restaurant eröffnen. Die Vorbereitungen dazu liefen bereits auf Hochtouren. Aber jetzt hieß es erst einmal, die Koffer im Auto zu verstauen. Er lief in die Küche. Ein Espresso zur Stärkung stand an.

 

"Hast du alles?“, fragte ihn seine Mutter. Sie saß wie jeden Morgen am Tisch, las die lokale Tageszeitung und genoss ihren Kaffee. „Es ist so schade, dass du jetzt wegziehst. Ich hätte mir gewünscht, du findest hier in der Nähe ein passendes Lokal.“ Ein Seufzen entfuhr ihr. Nichtsdestotrotz lächelte sie ihren Sohn stolz an.

„Aber Mama, ihr könnt mich doch jederzeit besuchen kommen. So weit bin ich dann auch nicht weg“, versuchte er sie zu trösten.

„Ich weiß ja. Aber es wäre trotzdem schön gewesen, wenigstens eines meiner Sprösslinge in meiner Nähe zu wissen.“ Sie strahlte ihn an.  „Wenn du einen Augenblick wartest, kann dir Papa beim Einräumen der Koffer helfen. Du weißt schon, wenn du bei der Eröffnung oder schon vorher Unterstützung benötigst, du kannst jederzeit auf uns zählen.“

„Ja, danke Mama. Sollte es einen Engpass geben, melde ich mich. Aber im Grunde darf nichts mehr schiefgehen. Morgen führe ich noch die letzten Vorstellungsgespräche. Dann müsste auch das Personal zusammengestellt sein. Der alte Eder hilft mir bei der Auswahl, hat da mehr Erfahrung als ich.“ Thomas schlürfte vorsichtig an seinem heißen Espresso. Er schmeckte genauso, wie er ihn liebte – stark. Zucker und Milch waren im Kaffee verpönt. „Übermorgen beginne ich mit den Essensvorbereitungen für den Eröffnungstag“, erklärte er.

„Was wirst du kochen?“ Klara Neumann klang neugierig.

„Gerichte aus aller Welt zur Einstimmung auf die Speisenkarte der Zukunft. Ich bereite ein Buffet vor, das jedem Gaumen gerecht wird“, schwärmte Thomas. „Ich hab dir doch erzählt, dass Lorenzo bei mir anfängt. Er hat seine letzte Stelle gekündigt und ist mittlerweile beim Eder eingezogen. Zumindest in eines seiner Apartments. Find ich toll von ihm, die beiden Ferienhäuser weiter zu betreiben. Im Sommer kann ich somit auch mit Urlaubern rechnen.“

„Und mit der Pacht für das Restaurant? Seid ihr euch da einig geworden?“

„Ja, natürlich. Eder ist ein feiner Kerl. Er war schon als Chef cool und gerecht. Für das erste Jahr zahle ich monatlich einen Pappenstiel für die Pacht. Und wenn es mit dem Lokal funktioniert und wir Erfolg haben, werden wir den Preis anpassen. Außerdem hat er sich bereit erklärt, mir auch in der Küche zur Hand zu gehen. Zumindest am Anfang. Ruhestand und Pension sind noch keine Optionen für ihn. Und mit Lorenzo im Team kann da gar nichts mehr danebengehen.“ Thomas lächelte zuversichtlich.

Im Eder’s hatte er seine Lehrjahre verbracht. Friedrich Eder war streng, kapriziös und stur, wenn es ums Kochen und seine Küche ging. Alle mussten sich sputen. Letztendlich erhielt Thomas aber genau bei seinem alten Lehrherrn die Kenntnisse zum vorzüglichen Koch, der er mittlerweile war. Alle anderen Dienstgeber dienten lediglich dazu, sich neue Inspirationen und Kreationen zu holen. Schon viele Jahre verband die beiden eine innige Freundschaft.

Vor einem Jahr besuchte ihn der alte Herr in Spanien, wo Thomas in einem fünf Sterne Hotel für die Küche zuständig zeichnete. Friedrich Eder verband Urlaub und Geschäft in einem Zug. Er wollte sich zur Ruhe setzen und suchte für sein Lokal, das Eder’s, einen Nachfolger. Durch Zufall erfuhr er von Thomas‘ neuem Aufenthaltsort. Er beschloss, seinem ehemaligen Schützling einen Besuch abzustatten. Mit der Zusage von Thomas, sein Restaurant zu pachten, fuhr Friedrich Eder wieder nach Hause. Thomas konnte zwar den laufenden Dienstvertrag des Hotels nicht vorzeitig kündigen. Aber in der Zwischensaison besuchte Thomas seinen alten Lehrherrn und beide unterschrieben den Pachtvertrag für die Nachfolge vom Eder‘s. Die Küche war top. Nur im Restaurantbereich nahm Thomas kleine Veränderungen vor. Neue Vorhänge und Polsterbezüge frischten den großen Raum auf. Halbhohe Raumteiler schafften gemütliche Nischen. Nur mit äußerster Disziplin gelang es Thomas, seine Vorfreude im Zaum zu halten und die letzte Arbeitsstelle durchzustehen. Am liebsten hätte er alles liegen und stehen gelassen und wäre vorzeitig nach Hause gereist. Nur, das war nicht seine Art. Was er angefangen hatte, brachte er ordnungsgemäß zu Ende. Erneut nippte er an seinem Kaffee. Sein Vater, Gert Neumann, betrat in diesem Augenblick die Küche.

„Guten Morgen, mein Junge. Na, wie ich sehe, bist du reisebereit.“

„Mhm.“

„Lass mich kurz frühstücken, dann helfe ich dir mit deinem Gepäck. So viel Zeit wirst du doch noch haben?“

„Ja, natürlich. Keine Eile. Länger als vier Stunden Fahrzeit habe ich nicht.“

„Wenn du sonst Hilfe brauchst …“

„Ja, danke, dann sag ich es euch. Hat mir Mama schon angeboten.“ Thomas zwinkerte seinem Vater zu. „Es ist alles durchgeplant und müsste ohne Probleme zu bewältigen sein. Aber bei der Eröffnung rechne ich schon mit euch. Ihr kommt doch?“

„Natürlich! Ich werde doch nicht auf das hervorragende Essen verzichten, dass da gratis angeboten wird.“ Klara und Gert lachten. Thomas schüttelte den Kopf.

„Nur wegen des Essens wollt ihr kommen? Das enttäuscht mich jetzt aber schwer.“ Er tat beleidigt.

„Vielleicht ein bisschen auch wegen dir.“ Klara schmunzelte. Sie musste ihm nicht extra sagen, wie stolz sie auf ihn war. Das spürte er auch so. Sie wünschte ihm so sehr, dass er mit seinem Lokal Erfolg haben möge. Schon als kleiner Knirps, der kaum über den Küchentresen gesehen hatte, plapperte er unentwegt davon, einmal ein berühmter Koch zu werden und sein eigener Chef zu sein. Zielstrebig hatte er die letzten Jahre hart daraufhin gearbeitet.

„So, ich wäre soweit“, sagte Gert und stand auf. Beide Männer verließen die Küche. Klara hörte die Kofferrollen über die Fliesen poltern. Die Tür wurde geöffnet, das Scheppern und Schleifen verlegte sich nach draußen und wurde leiser, als die schwere Tür wieder ins Schloss fiel. Eine Träne kullerte über Klaras Wange. Sie wischte sie weg. Viel zu oft hatte sie schon von einem ihrer Kinder Abschied nehmen müssen. Ja, natürlich nicht für immer. Aber immerhin. Jenny lebte mit ihrer Familie am Mattsee, Anika hatte vor knapp zwei Jahren ihren Boss geheiratet und führte mit ihm den Betrieb weiter, den er von seinem Vater übernommen hatte. Sie lebten zwar am anderen Ende von Perg, das wäre nicht so weit. Stimmt. Aber sie haben auch in New York eine Niederlassung errichtet und halten sich daher oft in Übersee auf. Sie sahen sich manchmal wochenlang nicht. Und Thomas, endlich wieder zu Hause, übersiedelte mit Sack und Pack nach Velden am Wörthersee.

Thomas ursprüngliche Pläne, sein Restaurant in Wien zu eröffnen, hatte sein ehemaliger Chef durchkreuzt, als er ihm die Übernahme seines Hauses angeboten hatte. Klara seufzte. Schön war es dort ja. Wo sie in den nächsten Jahren ihre Urlaube verbringen würden, wusste Klara auch schon zu beantworten. Ihre Kinder würden wohl abwechselnd Gastgeber spielen. Sie stützte ihren Kopf auf die abgewinkelte Hand und blätterte mit der anderen in der Zeitung weiter. Heute musste sie erst gegen neun zur Arbeit. Reichlich Zeit, um ihren Gedanken an frühere Zeiten nachzuhängen.

 

Ein letztes Mal noch alles kontrollieren. Thomas schloss die Heckklappe seines Kombis. Fertig. Abreisebereit in eine neue Zukunft. Er verabschiedete sich von seinen Eltern, herzte und drückte sie. Er blickte sich kurz um. Sein Elternhaus würde er jetzt länger nicht sehen. Rasch stieg er ein. Nur jetzt nicht sentimental werden. Das war er bislang nie gewesen, wenn er zu einem neuen Job in ein anderes Land aufgebrochen war. Dieses Mal roch es nach Endgültigkeit. Er brach nicht nur zu einem neuen Job auf, sondern auch in ein neues Leben. Sein neues Leben. Er drehte den Zündschlüssel, der Motor surrte auf. Langsam rollte der Wagen die Einfahrt hinaus. Thomas atmete tief durch, steckte seinen USB-Stick ein und suchte sich seine Lieblingssongs. Sein Navi zeigte ihm die Route. Thomas genoss noch die letzten bekannten Bilder seiner Heimatstadt, bevor er auf die Bundesstraße abbog, die zur Autobahn führte. Je weiter er sich von zu Hause entfernte, desto freier fühlte er sich. Die Spannung auf das Neue und die Vorfreude, sein eigener Herr zu sein, nahmen ihn gefangen. Nur mit Mühe konzentrierte er sich auf den Verkehr.

 

Sein neues Zuhause lag etwas abseits auf einer Anhöhe mit überwältigendem Blick auf den Wörthersee und Velden. Sein Alltag würde ihm Trubel und Hektik bescheren, deshalb hatte er sich ein ruhigeres Plätzchen für die wenigen freien Stunden gesucht. Das Haus, in den Hang gebaut, in moderner Bauweise gestaltet, beeindruckte durch eine riesige Glasfront gegen Süden und mit Blick auf Velden und den See gerichtet. Eine große Freiluftterrasse lud zum Relaxen ein. Die freizügigen, offenen Räume beherbergten gerade das nötigste an Möbel. Im oberen Stockwerk, das ebenerdig von der Hangseite, über einen kleinen Vorgarten und einer breiten Einfahrt betreten wurde, befanden sich Küche, Ess- und Wohnzimmer, ein extra Freizeitraum und eine Toilette. Das Schlaf- und zwei Gästezimmer, sowie ein Fitnessraum und eine Bad Oase mit Whirlpool, waren im unteren Bereich errichtet worden. Thomas schlenderte durch sein neues Reich. Er trat auf die Terrasse und ließ den Blick entspannt auf die Gegend wirken. Ans Geländer gelehnt atmete er die frische Luft tief ein. Ein Lächeln huschte über seine Lippen. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, als er dieses Anwesen das erste Mal gesehen hatte. Trotz des stattlichen Preises hatte er nicht widerstehen können. Sein Mentor Eder hatte es ihm mit einem Augenzwinkern empfohlen, wohlwissend, was seinem Schützling gefallen könnte. Thomas begann seine Habseligkeiten ins Haus zu tragen und einzuräumen. Die Haustürglocke läutete. Thomas eilte hinauf und öffnete. Eder fiel ihm sogleich um den Hals.

„Da bist du ja endlich. Wie ich sehe, bist du gut angekommen. Hattest du viel Verkehr?“

„Nein, nein. Aber komm doch erst einmal herein“, meinte Thomas freudestrahlend. Er führte Friedrich Eder ins Wohnzimmer. „Darf ich dir was anbieten? Ein Bier oder doch lieber ein Glas Wein?“

„Nö, weder noch. Ich hab uns Sekt zur Feier des Tages mitgebracht, einen Brut, den du bevorzugst.“ Eder hielt die Flasche in die Höhe. Thomas nahm sie ihm ab und öffnete sie vorsichtig. Mit dem Sekt und den Gläsern traten sie auf die Terrasse.

„Der Ausblick ist einfach traumhaft“, schwärmte Eder. „Es freut mich, dass du dich dafür entschieden hast. Prost! Auf dein neues Zuhause und viel Erfolg mit dem Restaurant!“

„Danke, Prost! Wie ist es hier in der Zwischenzeit gelaufen? Hast du mir, wie versprochen, die Liste mit den Terminen für die Vorstellungsgespräche morgen mitgebracht?“ Thomas lehnte sich an das Geländer.

Eder stellte sich zu ihm. „Hier“, er fischte ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus seinem Jackett. „Wenn es dir recht ist, bin ich auch dabei. Ich kenne einige von denen. Haben teilweise auch schon für mich gearbeitet. Schau“, er zeigte mit dem Finger auf einzelne Namen, „ich habe sie mit einem Sternchen gekennzeichnet.“

„Fein. Ich wollte dich schon bitten, ob du dabei sein kannst, da ich in diesen Dingen so absolut keine Erfahrung habe. Wo ist Lorenzo? Ist er schon angekommen?“

„Ja, ja. Der hat einen Aufriss gemacht. Gleich gestern, als er eingetroffen ist. Die Kärntnermadln sind halt hübsch und unwiderstehlich“, grinste Eder. Lorenzo hatte in jedem Hafen, den er jemals angesteuert hatte, eine Liebschaft hinterlassen. Thomas lachte. Sein Freund mit dem italienischen Charme lief jedem Rockzipfel hinterher. An Frauen mangelte es ihm nie. Die Qualität seiner Arbeit litt darunter nicht. Dies hatte Thomas schon immer an ihm gefallen und bewunderte ihn deswegen.

„Deine Küche sieht kalt aus“, riss ihn Eder aus den Gedanken. „Noch nichts Essbares da, was?“

„Ach so! Nein, bin noch nicht dazugekommen. Wollte zuerst meine anderen Sachen einräumen.“

„Komm, ich lade dich zur Feier des Tages zur Konkurrenz ein. Kenne ein Lokal mit einheimischer Küche“, lockte Eder.

Thomas ließ sich nicht lange überreden. Erst jetzt bemerkte er, wie sein Magen knurrte. Seit dem kleinen Frühstück hatte er noch nichts zu sich genommen. Er ging voraus, griff nach seinem Wagenschlüssel und holte sein Sakko.

„Ich fahre“, bot Eder an, „schließlich liegt mein Nachhauseweg auch auf der Strecke. Ist also für mich kein Umweg. Du hast heute schon eine weite Strecke zurückgelegt. Zumindest siehst du recht müde aus.“

„Gut. Da bin ich dir tatsächlich dankbar. Die Autofahrt selbst war nicht anstrengend. Aber ich bin doch angespannt, weil ich nicht weiß, was mich alles erwartet. Ist doch alles neu für mich.“ Er klopfte Eder auf die Schulter. „Aber mit deiner Unterstützung wird es schon klappen. Danke nochmals.“

Eder hatte nicht zu viel versprochen. Das Restaurant lag in einer Seitengasse, etwas unscheinbar. Die Räumlichkeiten wirkten gemütlich, urig. Die Speiskarte führte Fischgerichte, deftige Fleischspeisen bis hin zu den traditionellen Kärntner Kasnudeln. Thomas entschied sich für die Kasnudeln und Eder wählte den Jägerbraten. Dazu tranken sie Weißwein. Thomas beobachtete die Gäste, aber auch das Personal. Er sammelte Eindrücke, wie jedes Mal, wenn er auswärts essen ging. War wohl eine Art Berufskrankheit. Eder stupste ihn an.

„Wir mögen es nicht, wenn man uns so auf die Finger schaut.“

Entschuldigend hob Thomas beide Arme. „Mach ich doch gar nicht.“ Seine Augen funkelten und mit Mühe verkniff er sich den lauten Lacher, der ihm in der Kehle kitzelte. „Was schätzt du, wie viele Leute brauchen wir für die Vorbereitungen und den Eröffnungstag?“ Thomas sah seinen alten Chef und jetzigen Freund neugierig an.

„Also speziell für die zwei Tage melden wir zwanzig Leute an. Das hab ich früher bei diversen Anlässen auch immer gemacht. Morgen suchst du zuerst das Stammpersonal aus. Mit fünf im Service und zusätzlich zwei für die Küche, samt uns beiden und Lorenzo müsste das reichen. Wenn nicht, kannst du noch immer jemanden zusätzlich einstellen. Die anderen habe ich schon verständigt. Ich kenne da einige, die schon für mich gearbeitet haben und verlässlich sind. Sie freuen sich, wenn sie etwas dazuverdienen können und teilen sich ihre Zeit dementsprechend ein.“ Eder klang zuversichtlich. Das nahm doch einiges von der Anspannung, die Thomas fest im Griff hatte. Er war ein Perfektionist. Sonst hätte er es im Beruf nicht so weit gebracht. Jede Kleinigkeit wollte durchdacht und geplant sein. Die Küche war sein Reich. Da saß jeder Handgriff. Aber von all den anderen, organisatorischen Dingen, hatte er null Ahnung. An den Schriftverkehr durfte er erst gar nicht denken. „Mir graut schon jetzt vor dem Bürokram, der da auf mich zukommt“, sprach er laut aus, was ihn gerade beschäftigte. Wie sollte er dies alles schaffen? Ihm schwindelte.

„Junge, keine Sorge. Dafür stellst du halt eine Teilzeitkraft an. Zumindest für den Anfang. Wirst ja sehen, wie es läuft. Vielleicht macht das eine andere Angestellte aus dem Service mit? Bei mir hat es damals die Restaurantleiterin erledigt. War eine tüchtige Kraft. Ist nur jetzt schon in Pension. Solltest du niemanden passenden finden, kann ich sie ja mal fragen, ob sie dir für ein paar Stunden in der Woche aushilft.“ Eder prostete Thomas zu. Er winkte dem Kellner, um die Rechnung zu begleichen. Die Zeit war rasch verflogen. Die Fachgespräche beruhigten Thomas und erst jetzt bemerkte er, wie die Müdigkeit in seine Knochen kroch. Zeit zum Aufbruch.