Weil Liebe alles ist - Romantic Summer - Teil 3 ab 30.6.22

Klappentext:

Funkelstein - wo Träume wahr werden und die Liebe wohnt!
Gisela und Jakob lernen sich über ihre beiden Freunde Hanna und Lukas kennen. Während Jakob ein erfolgreicher Geschäftsmann ist, hat Gisela ihren Job als Verkäuferin an den Nagel gehängt. Als Freundschaftsdienst bietet er ihr an, sie anzustellen, damit sie ihm bei der Renovierung seines kürzlich erstandenen Bauernhauses hilft.
Gisela ist hocherfreut, zum einen wieder ein Einkommen in Aussicht zu haben und zum anderen jetzt viel öfter in Jakobs Nähe sein zu dürfen, weil er ihr Herz höherschlagen lässt.
Jakob, der wegen eines Mankos von seiner ehemaligen Liebe verlassen wurde, hat sich geschworen, keine Frau mehr in sein Leben zu lassen. Ob er diesem Vorsatz treu bleiben kann? Gisela geht ihm sehr nahe, aber er ist felsenfest davon überzeugt, dass sie jemand Besseren als ihn verdient hat…

Eine besondere Herzgeschichte mit berührenden Momenten, viel Gefühl und einer großen Portion Liebe

Dies ist der 3. Band der Reihe ROMANTIC SUMMER,
einem Gemeinschaftsprojekt von fünf österreichischen Autorinnen. Das Buch WEIL LIEBE ALLES IST – ROMANTIC SUMMER kann unabhängig von anderen Büchern der Reihe gelesen werden. Für mehr Lesevergnügen empfiehlt es sich, die Reihen SWEET CHRISTMAS und ROMANTIC SUMMER zu lesen. Alle Bücher und Reihen verbindet der Ort FUNKELSTEIN sowie Protagonisten, die als Nebenfiguren da und dort auftauchen.

Band 1: Mein Lied der Liebe (Lotte R. Wöss)
Band 2: Du und ich sind Liebe (Lisa Diletta)
Band 4: Die Liebe hat viele Gesichter (Ingrid Fuchs/Isabella Lovegood)
Band 5: Zimtwölkchen und ganz viel Liebe (Sandra Pulletz)

1. Kapitel

Gisela


Unsanft riss das Läuten des Weckers Gisela aus dem Schlaf. Vorsichtig öffnete sie zuerst das eine, dann das andere Auge. Dunkelheit und Kälte umgaben sie. Angewidert schloss sie die Augen wieder, zog die Bettdecke über den Kopf und schlüpfte tiefer in die kuschelige Wärme. Neuerlich drang der unangenehme Klingelton an ihre Ohren. Er nervte! Widerwillig schlug Gisela die Decke zurück und tastete im Dunkeln nach dem Verursacher des Lärms. Sie drückte die Weckfunktion weg. Endlich! Ruhe!

Um Himmelswillen! Wie Schuppen fiel es ihr plötzlich von den Augen! Pfeilschnell saß sie kerzengerade im Bett. Die Erinnerung, warum sie zu so einer unchristlichen Uhrzeit aufstehen musste, hatte es endlich geschafft, ihre müden Gehirnzellen aufzurütteln. Fünfzehnter Januar! Ihr erster Arbeitstag bei Jakob! Das Bauernhaus, das er voriges Jahr Ignatz Bernhard abgekauft hatte, weil dieser in die Seniorenresidenz gezogen war, bedurfte einer Renovierung. Sie sollte das Ganze managen, aber auch selbst Hand anlegen. Ha! Es war ein reines Freundschaftsangebot von Jakob gewesen. Ob sie dafür geeignet wäre oder nicht, wussten weder er noch sie. Erfahrung darin konnte sie keine vorweisen. Aber er selbst lebte derzeit noch in Graz und benötigte eine Vertrauensperson vor Ort, wie er es formuliert hatte. Es ehrte sie zwar, dass er sie als „Vertrauensperson“ sah. Das reichte ihr jedoch nicht, wie sie sich eingestand. Ihre Gefühle wollten da nicht mitspielen. Sie wäre gerne mehr für ihn gewesen, viel mehr sogar.

 

Seinen Plan, bis spätestens März hierherzuziehen und auch den Firmensitz nach Funkelstein in das neue Anwesen zu verlegen, fand sie äußerst ambitioniert. In dieser Gegend lag noch Schnee, wenn an anderen Orten bereits der Frühling seine ersten Blumenboten schickte. Aber ihr sollte es recht sein, musste sie sich doch eingestehen, dass sie sich auf diese neue Herausforderung riesig freute.

Den Job im Supermarkt Fröschl hatte sie kurz vor Weihnachten hingeschmissen. Diese Arbeit hatte ihr einfach keinen Spaß mehr gemacht. Ständig sollte sie Sonderschichten schieben, während andere Kolleginnen frei bekamen, wann immer sie wollten. Alle dort nahmen einfach an, weil sie Single war, hätte sie sowieso Zeit. Sie musste weder für eine Familie ein Fest mit Christbaum, Geschenken und gutem Essen vorbereiten, noch irgendwelche Familienbesuche absolvieren. Giselas Familienangehörige lebten weit entfernt.

Wieder kam ihr die Galle hoch! Noch jetzt lief ihr die Gänsehaut den Rücken hinab. Aus Frust sollte man solche schwerwiegenden Entscheidungen nicht treffen. Eine späte Einsicht. So knapp vor Weihnachten zu kündigen, war eine bekloppte Idee gewesen. Ja! Aber auf ihre Freundin Hanna war Verlass, sie ließ sie in ihrem kleinen Laden, dem Wollstadl, mithelfen. Und als Jakob von ihrem Problem hörte, engagierte er sie ebenfalls kurzerhand. Sie sollte vor Ort sein, wenn die professionelle Baufirma, die den Auftrag erteilt bekommen würde, mit den Arbeiten begann. Es störte sie nicht, sie freute sich auf die neue Herausforderung.

Mit einem Satz sprang sie aus dem Bett. Sie lief ins Badezimmer. Dort schaltete sie den Wärmestrahler ein und schlüpfte aus dem Pyjama. In der Dusche drehte sie die Temperatur des Wassers auf achtunddreißig Grad Celsius und hoffte, dass sich ihr Körper erwärmte und die dämlichen Gedanken mit in den Ausguss rannen. Weit gefehlt! Sie hielt den Kopf extra lange unter die Brause, schamponierte ihr Haar und wusch es aus. Jakob geisterte nach wie vor in ihrem Hirn herum! Abtrocknen, anziehen und Tee trinken, orderte sie stumm die Befehle an sich selbst. Sonst hätte sie noch stundenlang weitersinniert. Sie würde diesem Prachtexemplar von Mann sowieso bald gegenüberstehen.

In der winzigen Kochnische füllte sie den Wasserkocher und schaltete ihn ein. Während er aufheizte, fischte sie einen Teebeutel aus der Lade und gab ihn in eine Tasse, die sie aus dem Schrank holte. Sie übergoss ihn mit dem kochenden Wasser. Während ihr Tee zog, eilte sie ins Badezimmer, um die Haare zu föhnen.

Gisela stand vor dem Spiegel, betrachtete ihr Gesicht und seufzte. Ob sie Jakob nicht gefiel? Ihr Haar jedenfalls benötigte einen Schnitt. Von Natur aus hatte es einen schönen Kupferton, der allerdings im Winter etwas an Glanz verlor. Sie trug ja auch häufig eine warme Wollmütze. Bei der sibirischen Kälte kein Wunder. Sie fuhr mit den Fingern durch die frisch getrockneten Locken. Ein farblicher Aufheller würde sicherlich mehr Schimmer verleihen. Außerdem wirkte sie im Laufe eines Tages zunehmend unfrisiert, da ihr gewelltes Haar seinen eigenen Willen zu haben schien. Demnächst stand also ein Friseurbesuch an. Sie schüttelte den Kopf. Jakob! Jakob! Jakob! Keine Ahnung, ob sie ihm danach gefallen würde.

 

Sie holte ihren Tee, trank ihn rasch in großen Schlucken. Die Zeit drängte. Ein ausgiebiges Frühstück war keine Option mehr. Gisela war einfach zu aufgeregt, ihr Magen rebellierte und sie verspürte ein flaues Gefühl. Deshalb griff sie nach ihrer Zahnbürste. Während sie sich mit dem Putzen ihrer Zähne beschäftigte, wurde ihr bewusst, dass sie in wenigen Minuten das erste Mal mit Jakob allein sein würde, seit sie sich kannten.

Sie wollte ihn überraschen und auf dem Weg zu seinem Anwesen beim Café Fröhlich etwas Süßes besorgen. Mit den jetzigen Betreibern Julie und Raphael war sie gut befreundet. Für ihren Chef Jakob - wie das klang - wollte sie ein Stück Funkelsteiner Torte mitnehmen, die er so liebte.

Diese Köstlichkeit bestand aus einem Schoko-Biskuitteig, Stracchiatella-Vanillecreme, mit Schokosplittern drin und obendrauf befand sich eine Art Gelee aus Granatapfelsirup. Bestreut war das Ganze mit frischen Granatapfelkernen und jedes Stück wurde mit einem Schoko-Gitter als Deko zusätzlich verziert. Einfach himmlisch! Ihr lief beim reinen Gedanken daran das Wasser im Mund zusammen.

Rasch schlüpfte sie in die gefütterten Pelzstiefel und die Winterjacke. Die Mütze aus Alpakawolle, ein Geschenk von Hanna, folgte. Warm eingepackt schnappte sie sich die Autoschlüssel und die Handtasche und beeilte sich, die Treppen hinunterzulaufen.

 

Jakobs auffälliger SUV stand am Straßenrand, etwas abseits des alten Hauses, dessen Fassade zu zwei Drittel mit Holz vertäfelt war, das durch die lange Zeit seines Bestehens dunkel und verwittert aussah. Trotz der Entfernung wirkte der Wagen vor diesem Ambiente in einer eigentümlichen Weise fehl am Platz. Sie parkte hinter dem SUV und stieg aus ihrem Suzuki Swift. Niemand hatte den Weg zum Haus freigeschaufelt, deshalb musste sie durch den hohen Schnee stapfen. Da die schwere Holztür einen Spalt offenstand, schlüpfte Gisela ins Innere und bibberte. Da war es gleich frostig wie draußen.

„Hallo, Jakob? Bist du hier?“ Gisela lauschte. „Jakob!“, rief sie noch einmal eine Spur lauter.

„Hi, ich bin heroben“, hallte seine Stimme aus dem Stockwerk über ihr. Gisela stieg die steile Treppe hinauf, auf der die Zeit merklich ihre Spuren hinterlassen hatte. Die Holzstufen waren mit tiefen Kratzern und Schrammen versehen und bei jedem Tritt knarrten sie.

„Guten Morgen, Jakob.“

„Guten Morgen, Gisela, ich freue mich, dich zu sehen, und pünktlich bist du auch. Es ist ziemlich ungemütlich“, stellte er entschuldigend fest. Er stand am oberen Treppenabsatz. Die Hände in die Hosentaschen gesteckt, wirkte er auf sie nun doch etwas verunsichert.

„Ja, es ist saukalt, draußen wie herinnen. Gehen wir in die Küche, dort können wir zumindest den Ofen einheizen“, schlug sie vor. Jakob folgte ihr die Treppen hinunter.

 

Um den Tischherd, wie man ihn in dieser Gegend häufig in Bauernhäusern antraf, in der Stube befeuern zu können, mussten sie zuerst Holzscheite holen. Ignatz, der alte Bauer und Vorbesitzer, hatte sie sorgfältig im Freien unter dem Dach an der Hauswand aufgeschichtet.

„Kannst du das?“, wollte Jakob wissen. Er rieb seine Hände aneinander.

„Was meinst du?“

„Na, das Einheizen. Ich kann es nämlich nicht, befürchte ich.“

„Oh, das. Kein Problem, mit solchen Öfen bin ich aufgewachsen“, gab Gisela lachend Auskunft. „Bei meiner Großmutter stand ein Tischherd in der Küche. Sie hatte damit geheizt und gekocht. In unserem Ort gibt es immer noch etliche Haushalte mit derartigen Öfen.“

Jakob rieb sich weiterhin die kalten Hände. „Na, dann zeig mal, was du draufhast“, forderte er sie offensichtlich fröstelnd auf.

Gisela, die sich bereits vor den Ofen gekniet hatte, begann Späne, die danebengelegen hatten, in die offene Ofentür zu schieben. Dann folgte Zeitungspapier, das ebenfalls dort gesammelt worden war. „Ignatz hat gut vorgesorgt“, meinte sie und legte nun größere Holzscheite darauf. Schließlich zündete sie das Ganze mit dem Feuerzeug an. „Jetzt heißt es warten, ob es anbrennt. Hast du schon etwas gefrühstückt?“ Sie sah Jakob fragend an. Er schüttelte den Kopf.

„Frühstück nein, Kaffee ja, weil ich verschlafen habe“, gestand er kleinlaut.

„Schau, am Tisch in der Verpackung ist ein Stück Funkelsteiner Torte für dich. Leider habe ich nicht daran gedacht, auch Kaffee oder Tee mitzubringen.“

„Oh, super, mir knurrt eh schon der Magen.“ Er nahm das Tortenstück aus der Box. „Hm, Kuchengabeln wird es hier wohl keine geben“, rätselte er.

Gisela stand auf und öffnete einige Laden des Küchenschrankes. Sie wurde fündig. Es waren zwar keine Kuchengabeln vorhanden, aber anderes Besteck. Sie reichte Jakob einen Teelöffel. Sie holte sich nun den Schokomuffin aus der Tüte, den sie für sich mitgenommen hatte, und biss gleich genüsslich hinein. Im Ofen knisterte es mittlerweile. Ein gutes Zeichen. Gisela schob noch einige Scheite nach und schloss das Türchen.

„Was meinst du, habe ich mit dem Kauf einen Blödsinn gemacht und das Geld hinausgeschmissen?“ Jakob wirkte im Moment tatsächlich hoffnungslos. Der erfolgreiche Jakob Berner von der Unternehmensberatungsfirma Berner, die mittlerweile Berner & Hochruck hieß, weil sein Freund Lukas Hochruck seit Anfang des Jahres sein offizieller Partner war, stellte ihr so eine gewichtige Frage.

„Wie kommst du darauf? Gefällt es dir nicht mehr?“

„Na ja, es sieht ja auf den ersten Blick schön aus, das Haus meine ich. Aber jetzt? Es ist kalt, saukalt. In den Zimmern fehlt jegliche Heizmöglichkeit. Keine Zentralheizung wie ich es gewohnt bin. Außerdem riecht es modrig hier drinnen. Merkst du das auch?“ Er zuckte mit den Schultern und steckte sich ein Stück Funkelsteiner Torte in den Mund. „Die Torte ist einfach ein Gedicht“, schwärmte er, „ich liebe diesen leicht säuerlichen Geschmack der Granatapfelkerne kombiniert mit der Süße der Schokolade.“ Er schloss für einen kurzen Moment genussvoll die Augen.

„Jakob, das ist ein altes Haus, das hast du beim Kauf gewusst. Aber trotzdem ist dein Geld gut angelegt. Der modrige Geruch kommt von der Feuchtigkeit, die sich eingeschlichen hat, weil niemand mehr geheizt hat. Früher hat man eben keine Zentralheizung gehabt, sondern nur in ausgewählten Zimmern kleine Öfen zum Befeuern aufgestellt. Meist haben sich die Menschen sowieso in der Stube, die die Küche mit einschließt, aufgehalten. Warte kurz, bald wirst du merken, wie warm es hier wird. So ein Holzofen verbreitet einen angenehmen wunderbaren Geruch. Wie hast du dir die Renovierung überhaupt vorgestellt? Hast du schon Angebote eingeholt?“ Ihre Frage kam Gisela, sobald die Worte ihren Mund verlassen hatten, reichlich dämlich vor, aber sie wollte das Gespräch nicht abreißen lassen.

„Durchaus, die Aufträge für die Angebote sind verschickt und nun warte ich noch auf die Antworten. Kennst du vielleicht auch eine Baufirma hier in der Nähe?“

„In Kainisch, ein Nachbarort, ist die Firma BAU MIT UNS angesiedelt. Soweit ich weiß, sind sie nicht ganz günstig, arbeiten aber gut und verlässlich.“ Gisela unterstrich ihre Aussage mit dem Daumen nach oben. „Und in Funkelstein gibt es die Bautischlerei von Siegmar Flink, der auch perfekte Möbel fertigt. Das ist Fredls Neffe. Der Kiosk und die Stände des Weihnachtsmarkts stammen von ihm.“

„Okay, kannst du mir die Adressen geben? Dann frage ich auch dort gleich mal an.“ Jakob schob sich wieder genüsslich ein Stück Funkelsteiner Torte in den Mund. Abermals schloss er die Augen. Gisela hätte wohl stundenlang sein entspanntes Gesicht beäugen können. Leider musste sie sich zusammenreißen. Schnell blickte sie an ihm vorbei und aus dem Fenster.

„Und was sind meine Aufgaben?“ Jetzt sah Gisela ihn fragend an. „Irgendwie bin ich noch nicht schlau aus deiner Anstellung geworden. Aber bitte nicht falsch verstehen. Ich bin dir überaus dankbar, allerdings sollst du mich ja nicht umsonst bezahlen.“

„Heute hast du mir schon sehr geholfen, indem du hier für Wärme gesorgt hast. Ich wäre am liebsten gleich wieder davongelaufen, als ich die Nase hier hereingesteckt habe“, gestand Jakob. Mit seinem verzweifelten Blick wirkte er auf Gisela wie ein kleiner Welpe, der gerade etwas Schlimmes angestellt hatte, und nicht wie der erfolgreiche Geschäftsmann, als den sie ihn kennengelernt hatte. Nichts lieber hätte sie in diesem Augenblick getan, als ihn in die Arme zu nehmen. Leider traute sie sich nicht. Dieser Mann schien eine unsichtbare Barriere um sich aufgebaut zu haben, zumindest für sie. Mittlerweile waren sie beste Freunde, ja! Aber zu ihrem Leidwesen, nicht mehr. Dabei könnte alles so schön sein, wenn … Giselas Gedanken trifteten zu dem Zeitpunkt ab, als sie sich das erste Mal begegnet waren. Es war …

„Ob es in diesem Haus auch eine Schneeschaufel gibt?“ Jakobs Stimme holte sie zurück ins Hier und Jetzt. „Wir müssten wohl zuerst draußen den Platz freiräumen, damit wir unsere Autos von der Straße wegstellen können.“

„Allerdings“, bestätigte Gisela schnell. Puh, das war knapp gewesen, gut dass Jakob keine Gedanken lesen konnte. „Komm, wir suchen im Schuppen, wo Ignatz seine Gerätschaften abgestellt hat,“ schlug sie daher vor, glücklich über die Ablenkung.

 

Gemeinsam gingen sie ins Freie. Sie staunten nicht schlecht, als ein Traktor mit einem Schneepflug in den Hof einbog. Markus Kuppelbauer stellte den Motor ab.

„Griaß eich! Jakob, wenn ich nicht irre. Du bist also der neue Besitzer des Scheidenhofs?“

„Jep, der bin ich.“

„Braucht ihr Hilfe? Soll ich hier mal die Einfahrt freischieben? Eure Autos blockieren die Fahrbahn.“

„Hallo Markus, dich schickt der Himmel“, begrüßte ihn Gisela. „Da wären wir dir sehr verbunden. Wir wollten soeben nach Schneeschaufeln suchen.“

„Geht etwas zur Seite“, befahl Markus, startete sein Gefährt und begann mit der Arbeit. In kurzer Zeit war ein großer Platz freigeräumt. Markus winkte ihnen zu, bevor er wieder auf die Straße fuhr und seine Arbeit dort fortsetzte.

Gisela und Jakob stellten ihre Wägen zuerst in den Hof. Dann ging Jakob in Richtung Schuppen voraus.

„Komm, wir schauen uns mal um, damit wir wissen, was alles vorhanden ist, sollten wir wieder eine Schaufel benötigen.“

Gisela stapfte hinter ihm her.

Die Holztür ließ sich nur mit großer Kraftanstrengung öffnen. Sie war durch Nässe und Kälte verzogen und angefroren. Mit aller Wucht stemmte sich Jakob dagegen, bis sie nachgab und mit einem Ruck aufflog. Er hatte Glück, dass er nicht hinfiel. Im Inneren lagen dicke Staubschichten auf einem alten Pflug, einer Getreidemühle und einigen Fässern, die ungeordnet abgestellt worden waren. Von der Decke und an den Holzwänden hingen massenhaft Spinnweben. Gisela ekelte sich, sie mochte keine Spinnen. In einer Ecke lehnten Heugabeln und Rechen. Tatsächlich fanden sie auch eine Schneeschaufel. Aber ob man mit dem alten schweren Ding noch Schnee schippern konnte, bezweifelte Gisela. Ob des vielen Staubes bekam sie einen Niesanfall. Schnell lief sie hinaus und holte kräftig Luft. Gefolgt von Jakob, der es ihr nachmachte.

„Ich befürchte, wir müssen erst einmal alles sortieren, was auf den Müll soll und was noch Verwendung findet“, überlegte Jakob laut. „Vorher können die Arbeiten hier gar nicht starten. Es ist alles vollgeräumt. Ignatz wollte anscheinend nichts wegwerfen. Bereits im Haus ist mir aufgefallen, dass manche Räume mit altem Gerümpel vollgestopft sind.“

„Na dann weiß ich ja schon, wofür du mich die nächsten Wochen bezahlst.“ Gisela grinste ihn amüsiert an. Das war wohl eher Galgenhumor, gestand sie sich ein. Ihr graute jetzt schon davor, in den alten Sachen herumzustöbern. Aber sogar Spinnen, Käfer und sonstige Krabbeltiere, massenhaft Staub und verdorbene Überreste waren besser, als sich im Supermarkt von den Kunden unfreundlich anschnauzen zu lassen oder Überstunden zu schieben. „Wo willst du eigentlich mit dem Ausräumen beginnen? Im Haus oder in den Nebengebäuden?“

„Schon im Haus. Damit ich so rasch wie möglich einziehen kann, um vor Ort die Umbauarbeiten beaufsichtigen zu können. Und dich möchte ich entlasten. Allein wirst du es nicht schaffen. Außerdem habe ich nicht vor, dich nur als Entrümplerin einzuteilen. Komm, gehen wir wieder in die Stube. Hoffentlich ist es dort mittlerweile etwas wärmer.“ Jakob rieb sich schon wieder die Hände.

Gisela trottete erneut hinter ihm her. Die Hitze des Feuers aus dem Tischherd hatte sich wohlig auf den Raum ausgebreitet. Es war wirklich gemütlich. Sie setzten sich an den großen Eichentisch. Jakob zog aus einer schwarzen Aktentasche, die er schon vorher irgendwann abgelegt haben musste, einen Block und einen Kugelschreiber.

„Erst einmal planen wir das Grobkonzept, wo wir anfangen und welche Arbeiten am dringendsten sind. Was meinst du, wo sollten wir beginnen?“

„Was brauchst du beim Einziehen ins Haus am ehesten? Sanitäranlagen – Badezimmer und WC, Schlafzimmer und die Stube. Alle anderen Räume haben Zeit.“ Gisela zählte wie zur Bestätigung des Gesagten mit den Fingern mit. Jakob grinste sie breit an.

„Na dann“, er schrieb alles der Reihe nach auf. „So, und nun gehen wir in die besagten Räume und schauen, was raus muss.“ Er blickte auf die Uhr. „Wir haben noch eine Stunde Zeit, dann warten Lukas und Hanna beim Kirchenwirt auf uns. Ups, ich habe dich noch gar nicht gefragt, ob du mitkommen möchtest.“

„Passt schon, bin gerne mit von der Partie.“ Sie würde sicher nicht freiwillig darauf verzichten, länger in seiner Nähe sein zu können. Und vielleicht allein essen? Was glaubte er denn? Gisela wunderte sich, dass Hanna ihr nichts vom Treffen beim Kirchenwirt erzählt hatte. Sie hatten doch erst gestern miteinander telefoniert.

Es war wie immer, wenn sie sich trafen, sie waren zu viert. Wieder einmal bemerkte Gisela leidvoll, wie sehr sie sich über eine persönliche Einladung, nur sie beide, gefreut hätte. Jakob und sie!

Seit Hanna sie beide vor zwei Monaten in ihrem Laden miteinander bekanntgemacht hatte, war es um sie geschehen gewesen. Liebe auf den ersten Blick! Niemals hätte sie gedacht, dass es das tatsächlich gab. Zuerst hatte sie das Gefühl, dass es ihm ähnlich ergangen war. Aber da täuschte sie sich allem Anschein nach.

Irgendwie ließ sie sich immer auf die falschen Männer ein. Erst vor einem Jahr hatte sie ihren damaligen Freund in die Wüste geschickt, weil Treue für ihn ein Fremdwort gewesen war. Der Schmerz und die Kränkung saßen noch tief in ihrem Herzen. Allen, sogar Hanna, verschwieg sie, wie sehr sie darunter litt. Eigentlich wollte sie Single bleiben, für immer und ewig, den Männern den Rücken zukehren. Und dann war Jakob vor ihr gestanden!

Er hatte sofort einen Wirbel der Gefühle in ihr ausgelöst. Wow, der Mann strahlte etwas Magisches aus. Er hatte ihr auf Anhieb gefallen. Sein dunkles Haar trug er kurz geschnitten, wobei ihm ein frecher Schopf in die Stirn fiel. Mit seiner Größe von geschätzten ein Meter fünfundachtzig überragte er sie um einen ganzen Kopf. Sie musste zu ihm hochschauen. Am meisten faszinierten sie seine grau-schimmernden Augen, sie wirkten auf sie versonnen, nachdenklich, prüfend. Nur wenn er lachte, begannen sie zu strahlen. Seine Lippen waren von einem gepflegten Vollbart umgeben. Zu gerne hätte sie diesen mit ihren Händen berührt, darüber gestreichelt.

Jakob verhielt sich ihr gegenüber zwar freundlich und manchmal flirtete er sogar mit ihr. Dennoch waren sie sich in all dieser Zeit nicht nähergekommen. Jakob verhielt sich immer irgendwie distanziert. Mehr als zu einem Begrüßungskuss auf die Wange, war es bis dato nicht gekommen. Aber weshalb? Was war der Grund dafür? Sie konnte die gegenseitige Anziehung spüren, sie war manchmal zum Greifen nah. Es knisterte zwischen ihnen so heftig, dass die Funken sprühten. Und doch schien Jakob eine innere Mauer aufgezogen zu haben.

 

Sogar Hanna fragte sie immer wieder, ob Jakob und sie nun endlich zueinandergefunden hätten und ein Paar wären.